In den Augen der anderen by Picoult Jodi

Autor:Picoult, Jodi [Picoult, Jodi]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Lübbe
veröffentlicht: 2012-04-08T15:04:36+00:00

Rich

Alle Lehrer an der Bezirkshighschool von Townsend kennen Jacob Hunt, auch wenn er nicht in einer ihrer Klassen ist. Das liegt auch an seiner gegenwärtigen Berühmtheit, aber nicht nur. Noch bevor er wegen Mordes verhaftet worden ist, war er die Art von Kind, die einfach aufgefallen ist. Nachdem ich die Lehrerschaft mehrere Stunden lang befragt und gehört habe, wie Jacob beim Mittagessen immer allein gesessen hat und wie er mit schweren Kopfhörern die Klasse hat verlassen müssen, um den Lärm auszusperren (und die bösartigen Kommentare seiner Mitschüler), fragt sich ein Teil von mir, wie er es achtzehn Jahre lang überhaupt hat aushalten können, ohne einen Mord zu begehen.

Und ich habe auch Folgendes in Erfahrung gebracht. Jacob hat alles, was er in der Schule macht, um sein Faible für Kriminaltechnik herum gestaltet. Als er in Englisch eine Biografie lesen und mündlich zusammenfassen sollte, hat er Edmond Locard als Thema gewählt. Und als er in Mathematik ein unabhängiges Forschungsprojekt machen sollte, hat sich das um Herb Macdonalds Lehre gedreht, wie man anhand von Blutspritzern den Einschusswinkel bestimmen kann.

Seine Schulpsychologin, Frances Grenville, ist eine dünne, bleiche Frau. »Jacob würde alles tun, um Teil der Gemeinschaft zu sein«, sagt sie, als ich in ihrem Büro sitze und Jacobs Akte durchblättere. »Häufig macht ihn gerade das zum Ziel für üble Scherze. Jacob ist also immer in den Hintern gekniffen, egal, ob er sich nun versucht anzupassen oder nicht.« Verlegen rutscht sie auf ihrem Stuhl herum. »Ich habe mir immer Sorgen gemacht, dass er eines Tages eine Pistole in die Schule mitbringen könnte … Sie wissen schon … um es allen heimzuzahlen. Wie dieser Junge in Sterling, New Hampshire vor ein paar Jahren.«

»Und? Hat Jacob das je getan?«, frage ich. »Es ihnen heimgezahlt, meine ich.«

»Oh, nein. Er ist wirklich ein ganz süßes Kind. Manchmal kommt er in seiner Freistunde zu mir, um hier seine Hausaufgaben zu machen. Als mein Computer abgestürzt war, hat er ihn wieder ans Laufen gebracht und sogar die Datei gerettet, an der ich gearbeitet habe. Die meisten Lehrer lieben ihn.«

»Und der Rest?«

»Nun ja, einige von ihnen kommen besser mit behinderten Kindern zurecht als andere, aber das haben Sie nicht von mir. Ein Schüler wie Jacob kann eine Herausforderung sein – vorsichtig ausgedrückt. Es gibt eine Menge Treibholz in dieser Schule, wenn Sie wissen, was ich meine, und wenn ein Kind wie Jacob einen Lehrplan in Frage stellt, den Sie seit zwanzig Jahren aus Faulheit nicht mehr geändert haben – und wenn sich dann noch herausstellt, dass der Junge recht hat – nun, dann kommt das nicht gerade gut an.« Sie zuckt mit den Schultern. »Aber Sie können das Kollegium ja selbst danach fragen. Alles in allem kam Jacob mit den Lehrern besser zurecht als mit seinen Mitschülern. Bei ihm gab es kein typisches Pubertätsdrama. Stattdessen wollte er über Politik und wissenschaftliche Durchbrüche reden oder diskutieren, ob Eugen Onegin wirklich Puschkins Meisterwerk war. In vielerlei Hinsicht hatte man den Eindruck, mit einem Lehrer zu reden, wenn man mit Jacob sprach.« Sie zögert. »Nein,

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